Dienstag, 15. Mai 2018

Bugazi? Nein. Angerer.

In einem kühlen Grunde....das kurz vor 1816 verfasste und vertonte Lied passt wohl hier nicht ganz

 Östlich von Tulfes, am Weg nach Volders, ist der Tulferbach zwischen dem Heißangererplateau und der sogenannten Geschleinsburg schluchtartig eingeschnitten. 

An der lauschigsten Stelle, unweit der Stelle wo sich die Wege von Hall und Volders nach Tulfes treffen steht die Bugazikapelle. Sie erinnert an das, was sich am 23.3.1816 dort zugetragen hat. Ein gewisser Bugazi lauerte dort Frau Gertraud Angerer auf. Sie war vom Markt in Hall nach Hause unterwegs. 

Er wurde zudringlich, sie wehrte sich. Er schlug sie mit einem Beil nieder. Die Frau wurde schwer verletzt aufgefunden und verstarb einen Tag später, nicht ohne dem bereits am Vortag gefassten Täter zu verzeihen. Das mag auch mit ein Grund ein, dass nun in der Schlucht dem Täter, 100m Höhenmeter weiter oben in der Hauskapelle des Angererhofes dem Opfer und seinem Tod gedacht wird. Die ganze Geschichte kann hier (Chronik Tulfes) nachgelesen werden. 

Erstmals hat mir die Geschichte meinen Vater auf einer Wanderung in der Gegend vor gut 40 Jahren erzählt. Kürzlich habe ich mich auf einem Ortsplan von Tulfes über die Bugazikapelle gewundert, da es doch wohl eher um das Opfer gehen sollte. Die hier kurzgefasste Geschichte mag erklären, warum es zwei Gedenkorte gibt, die zudem mit einem kleinen Kreuzweg (neuere Datums) verbunden sind. Trotzdem machen die Überbleibsel eher den Eindruck, als würden die Geschehnisse des Jahres 1816 dem Vergessen anheim fallen. Erschreckend ist auch, wie der sich der (Heiß)Angererhof gewandelt hat. Das historische denkmalgeschützte Gebäude ist nur mehr ein Schatten seiner selbst. 

Bugazikapelle am Tulferbach 
Die Bugazikapelle ist vielmehr ein Bildstock mit einem  kurzen Text zum Moritat.

Darin findet man eine stark verfallen Darstellung der Vorfälle am 23.3.1816

Das hier dürfte die Auffindung der Schwerverletzten darstellen, links unten eilt Bugazi mit dem Beil davon.

Zur Rechten möglicherweise Katharina von Gonzaga

Mittig die Muttergottes im beliebten Cranach-Motiv

Links schaut  das selige Anderl von Rinn auf die Szenerie herab


Kreuzweg 

Über einen Kreuzweg käme man fast bis zum Angererhof, doch kurz davor ist die Wiese abgezäunt und man muss einen Umweg von ca. einem Kilometer machen

Hofkapelle am Heißangerer und Bauernhof
Auch in der Hofkapelle ist eine Cranachmadonnen-Motiv zu finden

Auch die Hofkapelle ist beschriftet.

Wanderer gehe nicht vorüber,.... zum Nachlesen

Links vom Eingang ist dieses Votivbild zur Todesstunde der Frau Angerer aufgehängt.
Der geschichtsträchtige Hof hingegen verfällt. Ein neuer Stall wurde errichtet; das Wohnhaus steht nun nur mehr ohne Tennen da und neue Wohnhäsuer wurde drum herum errichtet. Symptomatisch für die Umlandgemeinden: So vergißt man die Wurzeln und kompensiert den Mangel an Tradition mit Flachdachverboten und ähnlichem.

Und dann, wenn alles Orignale hin ist, möchte man Barock nachahmen, der hier noch an der Fassade prangt. Nun gut - Barock ist es auch nicht, sondern der umgangssprachliche Bauernbarock, der sich authentisch wohl stellenweise bis 1900 gehalten hat.


Gschleinsburg
Über allem  steht ungerührt das Plateau der Geschleinsburg, das möglicherweise prähistorische Sieldungsreste birgt.

Montag, 30. April 2018

Walpurgisnacht. Etwas anders als man es ihr nachsagt.

Reger Betrieb. Meine After-Work Ausflüge verschieben sich örtlich etwas. 

Doch auch hier darf man nicht alles Offizielle ernst nehmen. Im alpinen Freigelände ist man ja sowieso.
Da sich das Gros der Spaziergänger hier nicht mehr hintraut, schafft Raum für Neues* (genau schauen)...
...während oben die S - Bahn drüberdonnert.

Da kommen schon die Musikanten....


......und dreißig Sekunden später der Zug.....

.....während die Brücke mit zusätzlichen Auflasten  belastet wird (die Kräfte, die dort wirken, dürften bei ca. 1,5 Tonnen Zugkraft liegen - also kein Klacks).......
......Auch dynamisch. Biologischer Wöhlerfestigkeitsnachweis.....
.....und total entschleunigt: Schwindelfreie Faultiere

*) Was sich da mitunter auftut, kennen manche meiner Leser ja schon vom letzten Jahr am Paschberg ;-) Bei solchen aktionen, wie hier oben, werde ich jedoch immer nur zusehen (hier gibt es tolle Photos von anderen sogenanten Highlines)

Sonntag, 15. April 2018

Ommm

Om. Gelassenheit ist momentan auch bei der Igler-Bahn nötig.

Am 13.8.2017, als wir von unserem Urlaub zurückkamen, entdeckten wird diesen Zuwanderer in unserem Garten.

Trotz umfangreicher Recherche im Freundeskreis und in unserer Nachbarschaft konnte wird den Urheber nicht enttarnen. 

Wir hatten vielleicht auch etwas schräg gefragt:
"Wer hat in unserem Garten den Kopf verloren?  Mitunter stehen in unserem Garten nach Rückkehr aus dem Urlaub Kühe. Diesmal ist es ein Kopf.Wer vermisst den seinen oder kennt die Person auf diesen Photos? Sachdienliche Hinweise bitte an uns.Der Besitzer oder jemand anderer kann den Kopf jederzeit abholen."

Reaktionen darauf :


"Oh Gott ... der Kitschteufel hat euch heimgesucht ..." 
"Ich habe einen Buddha-Kopf gesehen und dachte mir, der gehört aber nicht am Boden in die Botanik.

Dachte mir auch gleich, dass der sicher nicht Eurer Vorstellung von einer Gartengestaltung entspricht.

Aber er ist nicht von mir (da kommen dann im Frühjahr die Schlüsselblumen-Ableger).
Sollte ihn keiner mitnehmen bzw. abholen dann stell ihn bitte ganz hinten unterm „Apfelbäumchen“ auf unsere gemeinsame Mauer mit Blick nach Westen,- das würde mich schon freuen."
"Mein Kopf sitzt noch auf meinen Schultern. Wart ihr auf Bali radeln?"
"ich glaub, da möchte Euch jemand zum Buddhismus konvertieren oohm!"

Buddha verblieb in der Botanik. Sozusagen im Dschungel, wie Angkor Vat. Die belehrende Wirkung, die Zweck dieser Bildwerks ist, sei dahingestellt, ich habe in jeden morgen auf dem Weg zu Arbeit passiert, nicht immer war ich im Büro gelassen.

Bis gestern Abend. Nun hat er eine neue Bleibe bei den verkehrsplanerischen Gartenzwergen der Abfahrt Innsbruck Mitte, und blickt, völlig unbeabsichtigt, nach Westen. Vielleicht trägt er zu gelassenerem Verkehrsfluss bei. 
Wir werden sehen ob er weiterzieht.


Und das das klar ist, am selben 13.8.2017 haben wir in Emmersdorf diese zwei Anhalter nicht mitgenommen.

Donnerstag, 29. März 2018

Regierungsprogramm 2018-2023. Was bringts am Paschberg?

Zum Regierungsprogramm 2018-2023 
https://cdn.dolomitenstadt.at/wp-content/uploads/2018/03/Regierungsprogramm-2018-2023.pdf 

Grundsätzlich stehen im Regierungsprogramm vor allem unter dem Punkt Mobilität nicht wenige sehr vernüftige Maßnahmen. Teilweise sind diese jedoch weitaus wolkiger formuliert als die konkreten Straßenbauprojekte unter dem Punkt Verkehr.  

Für den Paschberg relevante  Anliegen und Projekte werde hier auszugsweise  (Reihenfolge tlw. verändert) wiedergegeben; das grauslige zum Anfang:

Unter dem Punkt Verkehr:
Was den Straßenbau betrifft, werden folgende Infrastrukturprojekte umzusetzen sein:
Umfahrungen Sillian, Kitzbühel, Hopfgarten II, Fügen, Haller - Haldensee, Sölden (unter Berücksichtigung des Ruhegebietes) und Aldrans. Die Umsetzung Autobahnanschlussstelle Wiesing und Innbrücke, Unterflurtrasse Bahnhof Mayrhofen, Verbindungsstraße Hall - Ost (hier wird ein integriertes Gesamtkonzept angestrebt), Umfahrung Leithen, Lawinenschutz Lehnenbach, Unterführung Prutz sowie die Umgestaltung Anschlussstelle Innsbruck Süd, Loferer Straße Scheffau und Ellmau II sowie die Ertüchtigung des Abschnitts Schlitters. Zudem werden Lärmschutzmaßnahmen im Unterinntal und im Zentralraum (z.B. Seefeld, Zirl, Innsbruck) verstärkt.
Die Straßenprojekte in Aldrans und Hall sowie der Autobahnanschluss Innsbruck Süd haben Einfluss auf die Verkehrsströme im südöstlichen Mittelgbirge. Neben einer Entlastung der Anrainer wird dadurch der Autoverkehr erleichtert und beschleunigt. Dies steht diametral den im Folgenden darglegten Absichten zur Gestaltung der Mobilität.
 
Unter dem Punkt Mobilität:
Die Fertigstellung und Inbetriebnahme der Regionalbahn Völs – Rum und allenfalls eine Erweiterung bis Hall, wenn diese regional gewünscht wird, sowie die Erstellung eines langfristigen Schienenkonzepts für den Tiroler Zentralraum.
Im langfristigen Schienenkonzept hat auch der Ausbau der Igler als Regionalbahn "Platz".
Den Ausbau des Tiroler Rad-und Radwandernetzes(z.B. Wipptal)sowie der dazu notwendigen Infrastruktur (überdachte Abstellplätze, Beschilderungen, Beleuchtungen, Verleihsystem, Ladestationen und Fahrradmitnahme im öffentlichen Verkehr)mit Priorität voranzutreiben und zu fördern.
Die Igler als Fahrradshuttle passt zur Fahrrradmitnahme im ÖV
 
Unter dem Punkt Städte und Gemeinde:
Die Unterstützung der Städte und Gemeinden bei der Umsetzung von Infrastrukturprojekten.
Kann sowohl nach vorne (Schienenkonzept für Zentralraum) als auch nach hinten (div. Straßenprojekte) losgehen.

Unter dem Punkt Raumordnung:
Bei Widmungen Rücksicht auf das bestehende Angebot des öffentlichen Verkehrs zu nehmen.
Wird für die Iglerbahn zweierlei bedeuten: 1. Umtrassierung zu den Siedlungsflächen 2.Schaffung von Siedlungsflächen an der Bahntrasse.

Unter dem Punkt Tourismus:
Die Förderung von nachhaltigen Investitionen in touristische Qualitätsverbesserungen, Sicherung der Lebensqualität und des Landschaftsbildes, raumverträgliche Tourismusentwicklung und vernetzte Mobilitätslösungen (weitere Umsetzung der Strategie Tiroler Weg 2021).
Die Iglerbahn ist unter anderem eine Mobilitätslösung zur Sicherung der Lebensqualität für die Bevölkerung und für den Tourismus.

Unter dem Punkt Sicherheit:
Die Sicherstellung eines effektiven Hochwasserschutzes gemeinsam mit den Tiroler Gemeinden und die Bereitstellung der notwendigen Mittel für Investitionen in den präventiven Schutz vor Naturgefahren
Bahnstrecken in Schotterbett oder mit Rasengleis sind Verkehrswege mit minmalster Bodenversiegelung. Pro Fahrspur benötigt die Bahn lediglich ca. 10-20% der Versiegelungsfläche einer Straße. Damit wir der Oberflächenwasserabfluss durch den hohen Sickeranteil erheblich reudziert. Da unser Hochwasserproblem im Siedlungsbgebiet vor allem aus der Bodenversiegelung resultiert, ist dieser Punkt relvant.

Unter dem Punkt Umwelt- und Naturschutz:
Eine weitere Verbesserung der Luftqualität durch Die Förderung des Umstiegs auf fortschrittliche Emissionstechnologien, vor allem bei Verkehr und Hausbrand und den Ausbau des öffentlichen Verkehrs.
Dass bei unserm Strommix elektrische Bahnen selbst beim C02 nicht schlecht abschneiden, ist selbstredend.

Unter dem Punkt Sport:
Die Nutzung von Sportangeboten mit dem Ausbau des öffentlichen Verkehrs zu erleichtern. Deshalb stellt der Ausbau und die Leistbarkeit des öffentlichen Verkehrs gerade auch für SportlerInnen ein wichtiges Anliegen dar.
Vielleicht schafft man doch den Downhillparcours am Paschberg.

Unter dem Punkt Energie:
Ein klares Bekenntnis zur E-Mobilität.
Die Iglerbahn ist schon seit 80 Jahren e-mobil!

Unter dem Punkt Kultur:
Ein grundsätzliches Bekenntnis zur Verbindung von Kunst und Kultur mit umweltfreundlicher Mobilität.
Tanzen und Wandern :-); Und natürlich ist die Iglerbahn an sich Kulturgut.
Den begonnenen Forschungsschwerpunkt für Erinnerungskultur fortzusetzen und selbst zur kritischen Aufarbeitung insbesondere der NS-Zeit und ihrer Folgen und Rezeption beizutragen.
Kann den Paschberg mit seinern Erschießungsstätte im Steinbruch betreffen.

Alles in allem ist der ÖV in dem Papier sehr vernetzt enthalten. Somit ergeben sich viele Anhaltspunkte für den Erhalt und Ausbau der Iglerbahn und zudem einzelne Entwicklungsimpulse für den Raum um den Paschberg.  

Die Fragen die sich mir dabei aber noch stellen:
  • Was ist der Unterschied zwischen den Punkten Verkehr und Mobilität?
  • Was bedeutet der Passus "wenn diese regional gewünscht wird" und müsste so ein Passus nicht bei jedem Straßenbauprojekt auch dabei stehen?
  • Wer sind diese "Regionalen"? Sind das die Planungsverbände? Oder ist das die Bevölkerung der Planungsverbände?  

Sonntag, 18. März 2018

Frühlingsimpressionen

Frühling

Impressionen vom nun selten besuchten Paschberg

Die Igler mal wieder als Fahradshuttle genutzt

Das erneuerte Wetterkreuz in Lans
 
Vorletzter Igler Kurs am Sonntag. Man sieht: Die Igler geht früher schlafen, als die Menschen im Altersheim.


beim Tummelplatz


Blumenkontrolle - der eigentliche Zweck des Ausflugs

Samstag, 30. Dezember 2017

Schwein muss man haben

Einen guten Rutsch ins neue Jahr! 




 

Sonntag, 17. Dezember 2017

vinterdag i paschbergen

Winterstimmungen.

Viller und Lanserkopf vom Villersteig aus.

Patscherkofelbahn, neue Mittelstation

Dachlandschaft in Igls

Obexerstraße

Bahnhof Igls

Tummelplatz, Heiliggeistkapelle

Winterwald mit Iglerbahntrasse

Tantegert

Reiten auf dem Poltenweg

Montag, 11. Dezember 2017

Neues auf den Bahnen in und um Innsbruck

Winterstimmung im Tantegerter Moor

Oberhalb des Tummelplatzes.

 Mag auch die Iglerbahn mit Ausnahme der Wochenenden und des Frühzuges Dornröschenschlaf halten, so soll das, was sich rundherum getan hat, nicht unerwähnt bleiben:

 Das ist zum einen die Aufnahme des planmäßigen Straßenbahnbetriebs zwischen Amras und den Peergründen, mit kurzer aber steiler Gebirgsstrecke.

Vor Abfahrt des ersten Plankurses von Amras zu den Peergründen, Sonntag 10.12.2017, 6:21. Im Scheinwerferlicht sieht man die Vegetation des Amraser Rasengleises dahinvegetieren. Nur kurz wird diese neue Relation währen - nämlich bis zum Beginn des Betriebs der Linie 2 vom O-Dorf zu den Peergründen Ende 2018.

Derselbe Kurs nach seiner Ankunft um 6:48 (ich habe, ehrlich gesagt, nicht überprüft ob der Fahrplan eingehalten wurde). Um Gerüchten vorzubeugen: Die Stumpflgeise sind definitv beide so lang das ein Flexi Platz hat. Auch die nächste Generation von Flexis, die 30cm länger ist, sollte sich noch ausgehen. Offensichtlich liegt die Endhaltestelle aber in starkem Gefälle; steiler als die alten Steilstrecken der IVB.

Zum anderen ist das die neue Brücke über den Mutterergraben, die die alten kurvenreiche Strecke und einen Tunnel ersetzt, dadurch aber auch deutlich steiler wird.


Von der Seite und von Unten betrachtet ein Meisterstück der Eleganz. Die Brücke ist allerdings so breit, dass das Gleis darauf verloren wirkt. Die Gehverbote vermögen daher kaum Fußgänger aufzuhalten. die Brückenbreite beträgt 7m! Die Breite rührt wahrscheinlich noch vom Konzept eines Niederflurfahrzeuges für die Regionalbahn ins Stubaital, das auf dem richtungsweisenden "La Prima" Triebwagen (von Schindler Waggonbau, die in Stadler und Bombardier aufging) des Regionalverkehrs Bern-Solothurn beruht. Man sieht, dass die Regionalbahnplanung des Landes um 1992, als wohl die Weichen für des Projekt gestellt wruden, schon recht weit vorausdachte. Dieses Drehgestellfahrzeug hätte größere Kurvenausladungen gehabt als die vielgliedrigen Flexis. Die Brücke würde es theoretisch erlauben schneller zu fahren, doch merkt man am Fahrplan noch keine deutliche Veränderung, zu kurz ist doch dieser Neubauabschnitt. Da müsste man schon wieder über die Direkthereinführung Bergisel-Bahnhof diskutieren, die ganze 10 Minuten Fahrzeitverkürzung  bringen würde und die sich innerhalb von längstens 10 Jahren amortiseren sollte. Diese Direkthereinführung käme übrigens auch der Iglerbahn zugute.

Blick in den Mutterergraben aus Widerlagerpersepektive

Montag, 20. November 2017

Zum blauen Einhorn und anderes entrisches


Ins Gleis gefallen. 
So könnte man das letzte Wochenende in Wien im übertragenen Sinn zusammenfassen. Denn die Straßenbahn selbst spielte dabei nur eine untergeordnete Rolle.

Ungefähr jährlich besuchen wir Freunde in Wien. Fixpunkt dabei ist immer ein „Herrenausflug“. Diesmal machten wir uns auf die Suche nach dem „Blauen Einhorn“, nachdem wir uns nahe des Judenplatzes von den Damen getrennt haben.

Blau ist es nicht mehr, das Einhorn
 Das Haus zum blauen Einhorn ist eine Schlüsselstelle des Romans „Die Dämonen“ (Das Nachtbuch der Anna Kapsreiter) und unweit der Strudelhofstiege zu finden. Das Haus ist zwar längst ein anderes; doch das Einhorn durfte bleiben – sogar mit Hinweis auf die Verbindungen zu Heimito von Doderer. Und auch heute noch wird man in gewisser Weise im Vorbeigehen des Betretens entrischer Gründ gewahr – denn das Lichtental, aus dem weiter östlich die Strudelhofstiege in höhere Lage führt ist tatsächlich auch heute noch – oder wieder etwas abwegig, also entrisch, gelegen. Der Standort des alten Hauses zum blauen Einhorn ist einem seltsam unstädtischem Restgrün gewichen auf dem drei Schwarzföhren stehen, scheinbar gegossen von einer haushohen Gardena-Reklame an der Feuerwand des westlich stehenden Hauses. Die Grünfläche hat durch den Nadelbelag die Anmutung eines kleinen Wäldchens, das allerdings weder dem von Montefal im „Letzten Abenteuer“ noch dem „Grenzwald“ gerecht wird. Am ehesten „spielt der Wald Zimmer“ wie es in einem Bild des Romans „Das Geheimnis des Reichs“ auftauchte. Das neue Haus zum blauen Einhorn weicht dahinter zurück und wirkt schon ähnlich verbraucht als der Altbestand zu Zeiten seines Abbruchs kurz vor dem Tode Doderers. 

Nordwestwärts führt der Weg durch eine etwas gesichtslose Stadtlandschaft, vorbei an einer äußerlich ebensolchen Kirche, in der Schubert getauft wurde, zum UZA, dem Universitätszentrum Althanstraße, das seit der Aussiedlung der Wirtschaftsuni in einen Dornröschenschlaf fiel und wieder etwas entrischer geworden ist. 

Narwalskelett in der UNI Wien - oder doch ein Einhorn?
 Das UZA ist Teil der umfangreichen Bahnhofsüberbauung am Franz Josefsbahnhof. Die Spätzeit des Brutalismus und erste Anklänge der Postmoderne sind in dem Bau zu finden. Der Planer des östlichen Teils war u.a Kurt Hlaweniczka, aber auch Harry Glück. Man könnte die Anlage also durchaus als Werk österreichischer Metabolisten verstehen und die inneren Qualitäten der Anlage, sind so sehr der erste Blick einen Schreck einjagt, evident. Zu lange hatte man den Brutalismus als Feindbild gesehen (nicht zuletzt hat sich auch Doderer indirekt im Repertorium über die damalige Architektur nicht gerade wohlwollend ausgelassen). Wir sind nun jedenfalls durch das UZA flaniert, das eine Passage zwischen Lichtental und Spittelau bildet. Hier im Vorübergehen im UZA 1, das die Biologie beherbergt, nahmen wir das zweite Einhorn „mit“: Ein präpariertes Narwalskelett im Glaskasten. Ob der räumliche Bezug (ca. 400m Luftlinie) absichtlich oder zufällig entstand, konnten wir nicht eruieren. 

Von Spittelau führt der Weg nun mit der Tram hinaus zum Karl-Marx-Hof; weil man nun schon in der Nähe ist. Dieser schnitt sich scharf vom spätnachmittäglichen dunklen Himmel, was seine Röte noch hervorhob – auch wenn sie mittlerweile in Brauntöne ausgeblichen ist. Ich habe die Anlage mittlerweile das dritte Mal besucht. Diesmal stach mir die Skulptur „Befreiung“ über dem nördlichen Bogen ins Auge. Die Erscheinung ein bisschen seltsam – wie aus einem Spartakus-Balett. Der Mann schien etwas geschminkt. Andererseits erinnert mich das Motiv auch an die Person des Leonhard Kakabsa. Über diese Figur in Doderers „Dämonen“ gibt es wohl verschiedenste Deutungen. Literarischer Fakt ist jedenfalls, dass er sich im Roman aus den Fesseln seines Standes befreit; aber dann letztendlich bürgerlich wird. 

Die "Befreiung" - oder doch Leonhard Kakabsa?

 Wendet man sich von diesem Bogen südwärts gelangt man auf eine Treppe zur Hohen Warte hinter der sich die bürgerlichen Villensiedlungen Döblings erstrecken und von der aus der Karl Marx Hof im österreichischen Bürgerkrieg beschossen wurde. Man wandert vorbei am Strandbad Döbling und denkt sich, dass dort im Februar 1934 Artillerie stand. Das alles während man den gediegeneren Bezirken entgegen schreitet, in denen sich ausgerechnet auch Teile des „Fragwürdigen Kapitels“ Doderers „Merowinger“ abspielten, in dem Dr. Döblinger (sic) seinen Plombierungen und Pläuze austeilt. Damit findet dieser geschichtsträchtige Runde ihren vorläufigen Abschluss, wenn man davon absieht, dass wir auf der Rückfahrt und später am Abend auf dem Weg ins Kabarett Niedermair immer jeweils (aus meiner Sicht unbewusst) am Justizpalast vorbei gingen, dem Schlusspunkt der „Dämonen“. 

Am nächsten Morgen hatte uns die westliche Eintrübung mit Regen und Windböen erreicht. Was tun, bei unseren Freunden, hier in Hütteldorf? Schon längst ist doch der Besuch der Fuchs-Villa fällig? Und so kehrten wir zum Einhorn zurück, das am Anfang des Weges stand. Den Ernst Fuchs malte u.a. einen „Einhornzyklus“. Beim Wandeln durch Villa und Park blickt man immer wieder in den „Grenzwald“ des Haltertals. Die Daphne-Motive von Ernst Fuchs erinnern an „Sonatine II“ über "Jutta Bamberger".

Ein Gewebe von Verweisen, Beziehungen, Zitaten, das nicht enden will und das ich nun hier einfach abbreche – mit der Möglichkeit weiterer Fortsetzungen.....

Vielleicht doch auch ein Einhorn: Die "Goldene Nase" von Ernst Fuchs, das rein nasenmäßig dem Selbstprotrait II von MC Escher ähnelt.