Donnerstag, 5. März 2009

Lamentieren über den gegenwärtigen Stellenwert der Bahn




Wenn Sie alte Photos von Straßenbaustellen betrachten, so wird Ihnen dann und wann auffallen, dass manche der denkwürdigen Straßenprojekte in den Anfangsjahren der „Automobilmachung“ (1930) mit Eisenbahnen gebaut wurden. Kleine Feldbahnen auf wackelig verlegten Gleisen transportierten Schüttmaterial, Beton und andere Dinge, die schwer waren und in großen Massen verfügbar sein mussten. Man kann sagen dass in diesen Tagen die Bahn das Basisverkehrsmittel war, das notwendig wurde, um überhaupt erst eine Straße für den Autoverkehr zu bauen. Ähnlich war es 100 Jahre früher, als das Basisverkehrsmittel noch Schusters Rappen waren – und mit dieser Hilfe die ersten Bahnen entstanden.

Ich selbst kann mich noch erinnern (vor 30 Jahren - man wird alt ;-), dass das Basisverkehrsmittel Bahn half, wo die Straße versagte. Sei es im Winter bei starken Schneemengen, sei es im Sommer bei Wolkenbrüchen, wenn man keinen Hund und kein Auto mehr vor die Tür jagte, die Bahn fuhr.

Heute ist das anders. Das Basisverkehrmittel ist die Straße. So zu beobachten z.B. heute als die Igler wieder einmal wegen Wetterwidrigkeiten ausfiel.
Nun mag man sagen, der Ausfall dieser Bahn wird aufgrund ihres überwiegenden Freizeitcharakters gerade bei schlechtem Wetter irrelevant sein, doch werben die Bahngesellschaften mit ihrer Verlässlichkeit. Wenn das von "verlassen werden" kommt, trifft das sicher zu:

Die Igler ist dabei nur die Spitze des Eisbergs. Sei es auf der Mittenwaldbahn, auf der Inntalbahn oder im Pustertal. Die Bahn bleibt im Schnee stecken, verschwindet in Löchern, die sich im Boden auftun oder wird wie nun eben unterspült. Und weil die Straße stets geräumt wird und sich im Gegensatz zur Bahn Legionen um deren Erhaltung kümmern, fährt die Bahn selbst mit dem Auto, wenn ihr der Erhalt der Bahn zu kompliziert geworden ist.

Wenn man bei einbrechender Dämmerung heute durch den Paschberg talwärts geht, ohne Igler, und lediglich die allgegenwärtige Lärmpräsenz des Straßenverkehrs wahrnimmt - wohingegen das Umfeld ansich den Eindruck macht, dass es nicht mehr weit bis zu einer Totalausrottung der Menscheit wäre, so wird es einem jedenfalls sehr erleichtert alles möglichst pessimistisch zu sehen: Eine "Zivilisation", der es nicht mehr gelingt ihre Basisinfrastruktur* zu erhalten (von der ich denke, dass es immer noch Fußweg und Bahntrassen sind) ist im Begriffe auf dem Müllplatz der Geschichte zu landen (quasi als Sondermüll)

Ich sehe das als Verfallsmerkmal unserer Kultur und unseres Wirtschaftssystems.

Dabei möchte ich jedoch nicht unter den Tisch kehren, dass die Adaptierungsarbeiten für den Einsatz der Niederflurfahrzeuge auf der Igler weitergehen. Vielleicht ist ja alles doch nicht so schlimm, wie ich unke... jedenfalls gibt es noch Menschen die das schwache Licht unserer Zivilisation hochhalten.


Neuer Bahnsteig in Schönruh


Vorbereitungen für den Bahnsteigbau in Tantegert


*) mir ist schon klar, dass es dafür auch anderer Indikatoren gibt, aber ich spreche hier nur von denen die mir persönlich als schwerwiegend auffallen, und nicht von denen, die man vorgekaut bekommt (sei es irgenwelche Pisastudien, Sittlichkeitsverirrungen, Rechtschreibereform o.ä.)

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