Freitag, 28. November 2025

Das Fahrrad im Straßenbaudienste mit besonderer Berücksichtigung der Ökonomie von Kraft und Zeit.

Was wir diesen Urlaub ganz gemütlich geradelt sind, könnte man freilich auch weitaus wissenschaftlicher aufziehen:  
 
"Wie dies bereits an anderer Stelle hervorgehoben wurde, ist die normale Tagesleistung eines Radfahrers an bestimmte, mit ziemlicher Genauigkeit ermittelbare Grenzen gebunden, deren Unterschätzung einerseits dem menschlichen Organismus Schaden bringen kann, anderseits den Wert der auf eine längere Reisedauer bezogenen Gesammtleistung mehr oder weniger herabdrücken, beziehungsweise eine rationelle Ausnützung der dem Radfahrer zu Gebote stehenden physischen Kräfte beeinträchtigen muss." 
 
Dieses Feststellung ist aus dem zweiteiligen Artikel "Das Fahrrad im Straßenbaudienste mit besonderer Berücksichtigung der Ökonomie von Kraft und Zeit." von k. k. Ministeriarat R. Iszkowski in der "Österreichische Wochenschrift für den öffentlichen Baudienst, VII. Jahrgang (um 1901)" zu entnehmen. 
 
 Ich habe vor einigen Jahren verschiedene Ausgaben dieser Zeitschrift nach für mich Interessantem gescannt (wortwörtlich und diigital, von den Original hätte man Hausstauballergie bekommen) und kam nun endlich dazu, darin etwas länger zu lesen. 
 
Kapiert habe ich die seitensweisen Rechentabellen nur im Überblick. Die Schlüsse, die Herr Iszkowski daraus zieht sind aber anschaulich und logisch dargestellt. Ich gebe einige wenige weitere Zitate wieder: 
 
"Kommt es ferner darauf an, seine Erfahrungen durch Besichtigung möglichst vieler in- und ausländischer Straßen, Flussregulierungen etc. in relativ kurzer Zeit und ohne größere Auslagen zu erweitern, dann bietet das Radfahren in entsprechender Combination mit den Eisenbahn- und Schiffahrten Vortheile, wie sie in keiner Weise sonst zu erreichen sind." 
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"In der Voraussetzung einer gleichen Umdrehungsgeschwindigkeit der Kurbel kann daher der Radfahrer mit einer kleineren Übersetzung bei relativ langsamerer Fahrt einen größeren Widerstand überwinden, als mit einer größeren Übersetzung. Dagegen lässt sich allerdings einwenden, dass derselbe Erfolg auch mit einer größeren Übersetzung erzielt werden könne, sobald die Umdrehungsgeschwindigkeit der Kurbel entsprechend ermäßigt wird. Dies ist auch thatsächlich unter gewissen Bedingungen, namentlich auf guter, horizontaler oder schwach geneigter Bahn möglich. Sobald jedoch der Widerstand ein gewisses Maß erreicht, wird ein langsames Drehen der Kurbel nicht mehr möglich, indem dieselbe sodann nicht über die todten Punkte gebracht worden kann, zumal hiezu ein bestimmtes Maß der lebendigen Kraft erforderlich ist, die bei gleichem Drucke auf die Kurbel, mit dem Quadrate der Umdrehungsgeschwindigkeit wächst, daher bei rascherer, durch die kleinere Übersetzung, beziehungsweise durch den geringeren Widerstand ermöglichter Kurbeldrehung, die Überwindung der todten Punkte erleichtert." 
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Man sieht schon, es wird sehr physikalisch. Dies Schlussfolgerungen sind im Weiteren sehr handhaft:  
 
"Hinsichtlich der Fahrt in den Steigungen wäre insbesondere hervorzuheben, dass bei 25 (Umdrehungen) die lebendige Kraft an der Kurbel bereits auf ein so geringes Maß herabsinkt, dass die theoretisch ermittelten ersteigbaren Steigungen, soferne sie etwa 10% übertreffen, wegen der Schwierigkeit der regelrechten Überwindung der todten Punkte der Kurbel thatsächlich nur bei besonderer Übung überwindbar sein dürften, wobei übrigens zu berücksichtigen ist, dass Steigungen von mehr als 9% in der Wirklichkeit zu dermaßen seltenen Ausnahmen gehören, dass sie als zu befahrende kaum mehr in Betracht kommen."
 
Nona, meint vielleicht heute; damals wars aber doch richtungsweisend, wie  das hier zeigt:
 
 "Ein ideales Fahrrad sollte hiernach drei verschiedene Übersetzungen, etwa 42, 65 und 80 besitzen. Ob dies möglich sei, wird die Zukunft zeigen — bisher ist aber mit der Thatsache zu rechnen, dass selbst ein mit zwei Übersetzungen ausgestattetes, den Anforderungen der Praxis vollauf entsprechendes Fahrrad noch nicht erfunden wurde, die Radfahrer daher genöthigt sind jenes Übersetzungsverhältnis zu wählen, welches nach Berücksichtigung der Gefällsverhältnisse der meist befahrenen Straßen die relativ größte Kraft-Ökonomie verbürgt." 
 
Romuald Erazm von Iszkowski, dem ein Verwandter hier ein digitales Denkmal gesetzt hat hat als Bauingenieur sein weitverzweigtes Fachgebeit vielerorts befruchtet. Ich habe den Verdacht, das Radfahren sein Leidenschaft war und er wohl auch viele seiner Außendienste geradelt ist (Nicht "nur" eine 6000km Radtour durch Europa).
 
Heute würde er wohl unter dem Eindruck der Zeitökonomie, wie die meisten seiner  Berufsgenossen, mit dem Auto fahren. Er könnte sich aber vermutlich mit seinen Tabellen ausrechnen, das er damit mehr Schaden anrichten würde als Nutzen herauskommt, was ja durchaus auch einige Ingenieure wissen, wie zB. Univ Prof Kurt Ingerle (+) der in seinen Vorlesung immer wieder Seitenhiebe auf den Prothesenbau (=Autoindustrie) austeilte.
 
So bleibt mir nur, mich bei der Zeit- und Kraftökonomin dieses Urlaubs zu bedanken, die mir hier gerade von Fregene nach Cerveteri vorausradelt. Sie hatte die Tagesetappenlängen bzw. deren Angemessenheit weit klarer im Blick als ich es hatte. Dafür habe ich die flachsten Straßen (nicht immer) gefunden.
 
Nachsatz: Iszkowsky baut seinen Artikel auf einer Grundlagenarbeit von Franz Ritter von Rziha auf. Im Fahrradmagazin Pro Velo 5/1986 werden seine Überlegungen dargestellt.
 
 
 
 
 

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