Tanzen und Wandern
Ich bin kein fleißiger Theaterbesucher. Rechne ich Kabarett dazu, wird es so auf die zwei Vorstellungen pro Jahr kommen. Daher mögen Vorstellungsbesprechungen und ähnliches aus höher berufenem Mund kommen.
Meine erste Theatererinnerung (wenn man von einem Balletttheater für Kinder absieht) müsste so ca. 30 Jahre zurückdatieren. Es wurde damals im Landestheater „Der Sturm“ aufgeführt. „Eingebrannt“ hat sich mir damals ein Bühnenbild (die Szene nach dem Sturm), die den gesamten hinteren Bühnenraum in lichte Bläue tauchte. Möglicherweise war auch eine Art Gaze davor. Doch der Blick in nicht abzugrenzenden Möglichkeiten hinter dem eigentlichen Bühnenboden war (und ist damit) evident.
Derartige Bühnegestaltungen, die auf das, was räumlich dahinter liegt weisen, sind meiner Meinung nach wesentlich. Vielleicht kann man es vergleichen mit den Retrochören der englischen Kirchen, deren Lettner zwar den unmittelbaren Durchblick verwehren, wo jedoch die nach hinten verlaufenden Gewölbe, die meist von einem mächtigen Maßwerksfenster im Morgenlicht unterleuchtet werden, diese grundlegende Information vermitteln: Dahinter kommt noch etwas.
Diese Raumgestaltung unterscheidet sich wesentlich von der barocken „Vorenthaltung“ dieser Information durch eine den Raum in etwa dort* abschließende Hochaltar-Sperre, wo in der Gotik noch der Lettner die Blick auf Teile der dahinter liegenden Möglichkeiten freigab. Nun wird der verständige Historiker dem entgegenhalten, das dieser damit verlorene Raum im Barock vollwertig durch die Predigt ersetzt und somit ins Abstrakte hinüber gehoben wurde. Ich bemerke allerdings jedes mal, wenn ich eine gotische Kirche betrete, dass dieses Raumerlebnis wesentlich ist, um diese religiösen Inhalte zumindest dem Ansatz nach zu vermitteln.
Ich habe den Eindruck, dass ähnliches für das Theater gelten könnte. Und nachdem es da gerade seit dem Barock sicher einige Verwandtschaften und direkte Zusammenhänge (hatten wir nicht in der Schule etwas von Calderon de la Barca gehört – schon wegen der Verbindung zu Grillparzer) bestehen, gibt es möglicherweise seit dieser Zeit die Empfindung des Verlusts des Raumes hinter dem Bühnenbild – oder geht es nur mir so – unwahrscheinlich.
*)liturgisch stimmt das nicht, aber die Empfindung ist so.
Mit „Tanzen und Wandern“ hat man sich nun im Theater in eine Landschaft gewagt, in der das, was hinter der Bühne liegt, ständig präsent ist.
Seien es die heran stehenden Baumstämme des Waldes, die sich tief in den Raum hinein erstrecken und dann und wann einen Flecken von Licht freigeben, der andeutet, dass auch hinter diesem Wald noch etwas liegt; sei es die weite Wasserfläche des Lanser Sees mit dem Panorama von Patscherkofel bis zur Nockspitze und dem Abendhimmel dahinter, der andeutet, dass hinter den Bergen noch etwas liegt....
Davor, auf dem Waldboden, auf Wiesenflächen, ja sogar im See spielt sich die Handlung des Stückes ab, die –so hätte ich es verstanden – von Menschen handelt, die zur Ruhe kommen sollen und einen Sinn suchen. Das Ganze nicht schwer intellektuell, sondern mit eine wenig Augenzwinkern und vielen Bildern, die mehr als Worte vermitteln.
Neben den Menschen spielen in diesem Stück zwei Dinge Hauptrollen: Der Paschberg und die Igler.
Während der Paschberg als „Unterlage“ und Hintergrund dient, ist die Igler Zuschauerraum und Transportmittel in einer etwas verfremdeten Welt (glücklicherweise nicht so verfremdet, wie z.B. in „Wolfszeit“ – aber irgendwie ist mir diese Parallele während der nächtlichen Rückfahrt gekommen ).
Natürlich ist es besonders erfreulich, dass die Igler nun erstmals bei einer Veranstaltung des Landestheaters zum Einsatz kommt. Hochkultur trifft Hochkultur (zum Verständnis dieser Aussage wird auf das Editorial Juni/Juli 2002 der Urhomepage http://www.paschberg.gmxhome.de/olde.html verwiesen).
Der Paschberg bietet einen guten Hintergrund für eine Schauspiel in dem diese Straßenbahn zu einer Art Dimensionsloch wird, durch das man von der Alltagswelt in eine Parallelwelt geworfen wird. Von nun an begleitet einen bei der Straßenbahnfahrt durch Innsbruck die Möglichkeit, dorthin entführt zu werden – wobei es jedem freisteht, das auf regulärem Weg gelegentlich oder sogar täglich selbst zu tun (siehe z.B. Wandervorschläge – wie man aus den Kommentaren des Publikums hören musste, scheint es wirklich Innsbrucker zu geben, die bis dato noch nie mit der Igler gefahren sind!?)
Es folgt in Kürze eine Photoreportage der Aufführung. Derweil als Vorgeschmack der "Ausstieg in den Wald"
Übrigens:
Das Stück wird Ende August erneut aufgeführt. Mehr Informationen dazu im Landestheater. Die Zuschauerzahl ist insgesamt auf 300 Personen beschränkt.
Paschbergblog-Tip: "Schauen Sie sich das an!"
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