Mein Vater hat mir einmal erzählt, dass ich (selbst habe ich die Erinnerung daran nicht mehr) mit ca. 4 Jahren beim Passieren einer Mure sehr irritiert reagierte, da mich die Mure angeschaut hätte.
Es ist sicher nicht unwahrscheinlich, dass Kinder Dinge zu sehen imstande sind, die Erwachsene gar nicht mehr wahrnehmen können, weil ihnen die Unvoreingenommeheit der Betrachtung abhanden kam und das das Leben ja auch in der Regel erleichtert: Ohne Ungeheuer unterm Bett schläft es sich leichter.
Ob solche Wahrnehmungen, die auch auf eine Beseeltheit der Dinge schließen lassen müssten, sich einfach natürlich erklären lassen - also Sinnestäuschungen sind, wie z.B. hier "So „normal“ sind Halluzinationen" erklärt, sei dahingestellt.
Eine kürzlich gemachte Bergtour und deren Vorgeschichte mag sich aber auch in die Reihe solcher Begebenheiten fügen.
Der Sturpen ist ein ein mäßig hoher Berg im hinteren Pitztal , vor allem wenn man bedenkt dass er von den meisten Bergen im Umfeld um 300 bis 500 Höhenmeter überragt wird.
Tatsache ist jedoch, dass er mit seiner Spitze (die defakto ziemlich stumpf ist) sehr nahe am Talgrund steht, was zum Anschein eines fast 1 Kilometer tief reichenden Steilabfalls führt.
diese Silhouettenwirkung ist sowohl von Norden alsauch Süden betrachtet im Tal evident und führte wohl dazu, dass ich das ins-Auge-Springen des Berges so empfand, als hätte mich der Berg angeschaut. Ein wenig so, wie bei alten Portraitgemälden mit dem sogenannten Silberblick, auf denen die Augen so gesetzt wurden, dass sie einen stets anschauen.
Hier zeitigte das im Lauf der Jahre Früchte. Zuerst schloss ich ein Besteigung gänzlich aus. Dann begann ich mich locker mit den spärlichen Informationen über den Berg zu befassen und begann an Hand von Luftbildern Steigspuren zu suchen. Fragte auch vor Ort - mit sehr unscharfen Antworten. Immerhin solle einmal im Jahr am Gipfelplateau eine Messe stattfinden. Das Informationssammeln verdichtete sich in den letzten zwei Jahren und vor ein paar Tagen dachte ich mir, dass ich ohnehin genauso, wie bei "Lindeben" umdrehen kann. Der Berg läuft ja nicht weg. Sonst wird es eben nur die Hundsbachalm.
Schlussendlich stand ich dann nach ca vier Stunden oben.
Die Schlüsselstelle war dort, wo ich sie anhand der Luftbilder und Panoramaphotos auf Alpenvereinaktiv für mich progonstizierte. Das Meistern der Stelle kostete....eine Jausenpause von ca. 5 Minuten. Am Retourweg fragte ich mich dort schon beinahe was da überhaupt war - dachte mir aber auch "Nur nicht übermütig werden".
So hat der Berg sein Gschau in gewisser Weise verloren.
Das stimmt nachdenklich. Es ist ein wenig wie ein verlorenes Paradies, bezwungen und entzaubert. Aber es war ein schöner Tag.
Den Zauber als Aussichtsberg wird er für mich behalten.
Die Tour ist hier dokumentiert. Danke an Carmen und Wiebke, die mich ein Stück des Weges begleiteten.