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Dienstag, 15. Dezember 2020

Heute vor 77 Jahren im Haus Erlerstraße 15:

   
 
Wir haben eben das Mittagessen beendet, als mein Bruder Johann mit dem Ruf “Flieger” zum Fenster in der Speiskammer stürzt. Da schießt auch schon die Flak. Nun renne ich ebenfalls zum Fenster. Anfangs sehe ich außer ein paar braunschwarzen Rauchwölkchen nichts, dann aber, hoch droben im Südosten silbrig glänzende Flugzeuge. 
 
Im selben Augenblick entfernte dumpfe Detonationen. Das könnten Bomben sein, denke ich und laufe ins Zimmer, um Papa und Mama zu warnen, die dort mit dem Einpacken der Sachen beschäftigt sind. (Ergänzung 1955: Ich zweifle heute doch, ob es wirklich Bombenexplosionen waren, denn ich habe diese Detonationen, verglichen mit anderen als sehr sehr schwach in Erinnerung.)
 
 “Wir kommen schon, schau nur, daß Du einmal hinunterkommst!” Also nehme ich Schuhe und Mantel und folge Johann in den Keller. Gleich hinter mir kommt Mama. Ich bin gerade auf der Stiege zwischen 1. Stock und Parterre, als einige dumpfe, aber nicht einmal so laute Einschläge das ganze Haus erzittern lassen, sodaß ich mit der freien Hand unwillkürlich nach der Mauer taste. Gleichzeitig ein unangenehmer Druck in den Ohren, das Stiegenhausfenster vor mir zersplittert und die Luft ist im Nu voll Staub. Mit Nachbarn und einigen verstörten Passanten stehen wir nun vor verschlossener Kellertür — niemand hat in der Aufregung daran gedacht, einen Schlüssel mitzunehmen. 
 
Nun erst kommt Herr Konzert, auf dem Arm einen seiner beiden Buben, und sperrt auf. Da im Keller kein Licht brennt, springe ich schnell in die Wohnung hinauf, um eine Taschenlampe zu holen. Die Türen stehen alle sperrangelweit offen. In der Küche hat der Luftdruck die Kamindeckel abgehoben, alles ist voll Ruß. Papa läuft ganz kopflos in der Wohnung umher, und Tante Toni sitzt laut betend auf ihrem Luftschutzkoffer. Die beiden sind überhaupt nicht aus der Wohnung herausgekommen! Endlich finde ich in Tonis Zimmer die Taschenlampe. Jetzt aber noch schnell einen Blick auf die Straße. — Mir verschlägt es den Atem. Das Witting-Haus hat einen Treffer erhalten! Die halbe Vorderfront ist aufgerissen, auf der Straße ein Berg von Schutt und Balken. Trotzdem denke ich noch immer nicht ernstlich an einen richtigen Angriff, sondern eher an einen Notwurf. Ein Gang durch die Stadt belehrt mich aber bald eines Besseren!
 
Am gleichen Nachmittag noch einmal Fliegeralarm. Wie wir später erfuhren, war vor dem Angriff rechtzeitig Alarm gegeben worden, aber wir hatten das Signal anscheinend überhört.
 
 Alarm: 11.00 Uhr 
Wetter: Strahlend blauer Himmel, leichter Dunst. 
 Zeit: Beginn 12.55 Uhr, Dauer nach meiner Schätzung kaum 1 Minute 
Flugzeuge: Nach einer amerikanischen Rundfunkmeldung “ein starker Verband Fliegender Festungen”.  48 viermot. Bomber 
 Bomben: 40 schwere, 140 mittelschwere Sprengbomben, 24 Blindgänger 
 

 
 
Treffer: Café “Weiß”, Hauptbahnhof (Gleisanlagen und Ankunftshalle, letztere mußte später gesprengt werden), Unterberger-Haus, Meinhardstraße, Boznerplatz (Konradapotheke), Jesuitenkirche, Hochhaus, Kochstraße, Frauenanger (Priester-Villa), Gaswerk, Lokalbahnendstation, Rhombergfabrik (Pradl) Erlerstraße, Seilergasse, Anatom. Institut, Westbahnhof, Volltreffer in Straßenbahnzug vor dem Westbahnhof (Hotel Veldidena). Der rückwärtige Teil des Kaufhauses “Kraus” (ehemals Bauer & Schwarz) brannte noch im Lauf des Nachmittags völlig aus und das Haus Erlerstrasse 14 (Schneiderei Lawatsch) wurde von den Parteien schon geräumt, da ein Übergreifen des Feuers befürchtet wurde. 
 
Bemerkungen: Der amerikanische Rundfunk meldete zum Angriff auf Innsbruck: “Ein starker Verband von Fliegenden Festungen bombardierte heute Mittag Innsbruck. Alle Flugzeuge kehrten zurück.” 
 
Auszug aus dem Tagebuch meines Vaters (damals 16 Jahre alt). Das Tagebuch ist seit 9.4.2019 digtalisiert im Stadtachriv Innsbruck evident - ebenso, wie die englische Übersetzung von Kristina Cosumano
 

***

259 Tote lt.  Liste im Tagebuch (auch so in Wikipedia) 
281 Tote lt. Volksbote vom 6.3.1947
262 Tote (lt. Tiroler Tageszeitung 14.12.1963).

Donnerstag, 4. Juni 2015

Amras in alter Ansicht


Fronleichnamsprozession, hinten der Paschberg mit dem Lanserkopf; ich nehme an, dass das Photo in der Zwischenkriegszeit aufgenommen wurde: Nach Errichtung der Hochspannungsleitung vom Achenseewerk nach Innsbruck (das müsste die im Hintergrund erkennbare sein) - also wohl zwischen 1927 und 1938.
Wo aber mag das Bild aufgenommen worden sein?

 Meiner Ansicht  nach auf der u.a. Karte in etwa hier (roter Pfeil)
Der Strommasten rechts der Bildmitte befindet sich im blauen Kreis.
 
Ausschnitt Openstreetmap

 
Die weitere Recherche in TIRIS zeigt allerdings, dass es diesen Weg (der am Ostrand des Bauernhofs "Hofer" verläuft) damals nicht gab, sondern ca. 30m östlich davon ein Weg vom Stecherhof zum Seewirt verlief.

Ein Vergleichsphoto von diesem Standort wäre baulich ziemlich verstellt. 
Man blickt dort heute gegen Hauswände.
Interessanterweise ist ziemlich genau an dieser Stelle wenige Jahre später, während der Bombenangriffe, die Umfahrungsbahn errichtet worden. Diese hätte in etwa dort den Weg der Prozession gekreuzt.

Daher ein nun Blick retour auf den Platz, wo damals die Fronleichnahmsprozession zog:


Amras 2014: Rechts des langen gelben Wohnblocks in Bildmitte blickt man auf das Feld, über das dereinst die Prozession zog.

Direkt auf dem heutigen Weg, Blick in Prozessionsrichtung. Die Wiese ist nun eingezäunt. Der Zaun ein Kriegsrelikt - wie schon einmal gebloggt: Feldflugplatzmattenelemente.  Rechts im Hintergrund das ehemalige Seewirtareal.

Mittwoch, 13. April 2011

Kriegsrelikt

Kriegsgrelikt in Amras: Die Mattenelemente für Feldflugplätze, die beim alten Innsbrucker Flugplatz Rossau gelagert wurden, werden in Amras noch hie und da als Zäune benutzt. Leider fielen die meisten in den letzten Jahren Umgestaltungen zum Opfer.
 Kriegserinnerungen....
Eine Anfrage von "The Practice Room" bezüglich des Friedhofes am Osterfeld
hat mich dazu veranlasst, nachzubohren, welche Erinnerungen in meiner Familie dazu tradiert werden. Dazu befragte ich meine Mutter. Es lässt sich daraus Folgendes rekonstruieren:

 1.Angriff 15.12.1943 (Mittwoch)
515 Tote lt. Rede im Stadtrat zum Gedenktag am 15.12.1948 von BM Melzer (TN 16.12.1948)

Unter den Toten ist auch die Cousine meiner Mutter, Maridl Steixner, die bis vor kurzem in Bozen gearbeitet hat, wegen der dortigen Bombenangriffe aber nach Innsbruck zurückgekehrt ist und nun in der Stadt arbeitet. Sie wird beim Angriff verschüttet, scheint im Krankenhaus auf dem Wege der Besserung, stirbt aber drei Tage darauf an inneren Blutungen.

Maridl Steixner * 13. 12. 1925 + 18. 12. 1943 (Samstag), wurde am Amraser Friedhof begraben

Am Sonntag sitzt die Familie gerade in der Stube, als draußen durch die Geyrstraße eine Lastwagenkollone fährt, die mit Särgen beladen ist.

Sonntag, 19.12.1943 : Sargtransport zum Massengrab Osterfeld

Um 1970: Das Osterfeld befindet sich hinter der "Bleiche" dem früheren Armenhaus in Amras, man sieht den Plateaustreifen und das Häuschen am Waldrands im Bereich Egerdach dahinter - dort müsste der Friedhof ungefähr gelegen sein. Vielleicht ist es dieser rechteckige helle Fleck auf einem alten Luftbild im TIRIS-Archiv?

Meine Mutter meint, man habe sich damals nicht viel gefragt und vor allem nicht mit anderen Menschen genauer darüber gesprochen, da ja alles irgendwie gegen einen hätte verwendet werden können. 
Ähnlich sei es bei der Umfahrungsbahn. Die war einfach plötzlich da. Man hat keine Fragen gestellt und sich auch nicht den Kopf zerbrochen, ob überhaupt und wann Züge fahren - und das Ganze möglichst schnell wieder vergessen. Also alles in allem eine Zeit des bewussten Wegschauens. 
Der Schock der Bombenopfer und der Zeit ansich wirkte lange nach.  

Montag, 20. Dezember 2010

Die Autobahneinhausung und ein bedenkliches Jubiläum

Still ist es in Amras - heute abend. Gäbe es welche hier, könnte man in dieser Mondnacht wohl die Wölfe heulen hören. So nimmt man andere Klänge war: Das Rauschen der Zentralheizungsbrenner in den Kaminen (!) oder der Viertelstundeschlag der Glocke (eben bei der Aufnahme des Photos)
Noch gestern war man mit den letzten Arbeiten zur Verlegung des Verkehrs in die Röhre beschäftigt.....
Am 19.12.2010 war der talwärts fahrende Verkehr noch nicht in der Röhre. Fieberhaft wurde an der Höherlegung der Freileitung gearbeitet. Die Amraserkrichturmuhr im Hintergrund zeigt gerade 12h05.
 Es ist schon bemerkenswert, meinte am Sonntag unser Pfarrer, dass es auf den Tag genau nach 67 Jahren in Amras besonders friedlich wird.
Der 19.12., 12h05 ist nämlich der Jahrtag der Verschonung von Amras durch die Bomben des 2. Weltkriegs. Es erwischte damals zwar das Feuerwehrhaus (lt. Chronik, und es ist auch am alten Feuerwehrstandort einen entsprechende Gedenktafel montiert). Menschen kamen aber nicht zu Schaden und im Gegensatz zum Kloster Wilten wurde die Kirche in Amras nicht zerstört.
Das Bild oben habe ich am 19.12.2010 ziemlich genau um 12h05 aufgenommen - zugegebenermaßen war ich nicht beim Rosenkranz in der Kirche.

Vor 67 Jahren sah es in Amras also so ähnlich aus (das hier ist ein Photo aus der "Sammlung Pfannenschwarz", das in etwa dort aufgenommen wurde, wo heute das Lehrerheim liegt (am Ende der Amraserstraße) und einen Bombenangriff auf den Hauptbahnhof zeigt, links sieht man die Masten der Umgehungsbahnlinie durch die Amraserfelder, rechts die selbe Freileitung, die nun höher gelegt wird)
Was damals vorgefallen ist, ist am besten in einem Zeitzeugenbericht zu lesen - meine Vaters, 
hat darüber Buch geführt(er lebte damals mitten in der Stadt) und hat Anfang der Neunzigerjahre auch einen Artikel darüber im "Fenster" verfasst:

Mein Vater erklärt im Vorwort zu diesem maschinengeschriebenen Buch, dass er diese Texte aus seinem auf Kriegspapier geschriebenen Tagebuch entnommen hat und nur grobe Schreibfehler entfernt wurden.
Das ganze ist natürlich aus Stadtperspektive beschrieben - wo sich das ganze so anhört, als wären in Amras nur ein paar Felder.
Meinen Vater hat natürlich das Technische sehr interessiert.  Obwohl mittendrin im Grauen hat er weitaus mehr technische Details in Erinnerung behalten als schreckliche Momente, während viele andere Menschen diese Zeit auch heute nicht verarbeitet haben. In Amras feilen selten Bomben, die psychische Belastung durch dei Alrme war aber sicher gleich groß wie in der Stadt  Am 19.12. gab es  auch einen Treffer nahe des Elternhauses meiner Mutter, der tatsächlich nur ein Feld erwischte. Allerdings war mein Urgroßvater während dieses Augenblicks im Haus, da er zu schwach war, um in den Luftschutzstollen zu gehen.
Den Zugang zu den Luftschutzstollen, die in Amras in recht standfestem Fels (Quarzphyllit) liegen, hat man auch wie hier bei der Autobahneinhausung offen gelassen. Man weiß ja nie.....

Doch zurück zur Stromleitung  und zu diesem schönen 19.12.2010, 67 Jahre danach.



Wie man sieht: Eine atemberaubende Kraxelei!

Dienstag, 28. Juli 2009

Bichlwegunterführung



Die provisorisch verbreiterte Autobahnunterführung Bichwleg. Bald wird die Autobahn für die erste Bauphase der Einhausung (Röhre Nord) hangwärts verlegt.
Rechts im Vordergrund ist der Eingang zum alten Luftschutztunnel zu erkennen. Dieser wurde jahrelang als Champignonzucht genutzt.