Donnerstag, 16. Januar 2014

Straßenbahn Peergründe



Aus Zeiten in denen man in der Peerhofsiedlung noch vorwärts schaute. Um 1987. Auch damals gab es zumindest im Eisenbahnbauinstitut der Universität bereits ausgearbeitete Straßenbahnprojekte für die Siedlung.
From the time when one looked forward to the future in regard to the new housing development Peerhofsiedlung. Around 1987. Even then there were plans for the extension of the tram line to the  area.

 Dieser Bericht scheint sich von Planung-richtig-herum hierher verirrt zu haben. Das hat den Grund, dass es sich um die Wiedergabe eines vorwiegenden Stimmungsbildes handelt, entstanden im Kielwasser der Geschehnisse um den laufenden Ausbau der Regionalbahn, im Besonderen um die städtische Straßenbahnteilstrecke zur Peerhofsiedlung (siehe auch hier). 

Es geht um die „Aktuelle Stunde“ des Innsbrucker Gemeinderats am 16.1.2014: Ich habe mich möglichst nahe beim Ausgang auf den Zuschauerstühlen gesetzt, zwischen zwei Damen mittleren Alters, deren Position sich im Lauf der Stunde manifestierte. Sozusagen ein Bürger-Stimmungsbild aus dem subalternen Zuschauerbereich des Gemeinratssitzungssaales – wobei immer die Frage zu stellen ist, ob man aus diesen mit mir drei Personen (es waren noch andere verteilt, aber von diesen habe ich die Meinung nicht erhaschen können) wirklich verbindliche Schlüsse auf die Volksmeinung ziehen kann. 

Mit der einen Dame entspann sich gleich ein Gespräch. Sie sah mich prüfend an und fragte ob ich in den Peergründe wohne. Das musste ich natürlich verneinen, anfügend, ich schaue nur zu, weil ich mit unserer Straßenbahn in Amras sehr zufrieden bin und weil es mich wundert, dass die Einwohner eines Stadtteils gegen so etwas sein können. Die Dame gibt sich als Peerhöflerin zu erkennen, mehrfache Mutter mit durchaus sachlichen Ansichten, wenngleich sie Befürworterin des Flughafens ist (!). Sie entschuldigt sich jedenfalls gleich, dass sie nicht eine von der Gruppe um die ihrer Meinung nach ortsbekannte Querulantin sei, sondern vielmehr hoffe dass die Straßenbahn doch noch umgesetzt werde. Sie meint auch, dass sich die Befürworter der Straßenbahn in den Peergründen lediglich noch nicht so in Szene gesetzt hätten. 

Mit der anderen Dame habe ich dann doch nicht geredet. Sie war etwas zurückhaltend; eine Anmutung von Empfindsamkeit oder aber Empfindlichkeit. Eine stärkere Gehbehinderung war erkennbar, sie kam mit einer Krücke, daher tippe ich eher auf einen grundsätzliche Empfindung des Verletztseins – vielleicht auch von der Gesellschaft im Allgemeinen. Also ein Mensch, der so dachte ich, früher oder später physisch auf den öffentlichen Nahverkehr besonders angewiesen ist – denn nicht immer ist ein Behindertentaxi zur Hand. Wie sich zeigt, war diese Einschätzung grundlegend falsch, denn sie war zumindest vom Applauseinsatz offenbar den Straßenbahngegnern sehr zugetan und wurde auch im Laufe der Zeit immer lebhafter, manchmal den Blickkontakt mit mir erheischend, dem ich versuchte auszuweichen, denn ich hatte den Eindruck, dass die Dame meiner Meinung gegenüber ziemlich beratungsresistent wäre und streitfreudig bin ich letztendlich nicht, daher sitze auch nur in den Zuschauerrängen. 

 Was haben nun die Fraktionen zur Frage der Fortsetzung des Straßenbahnprojekts gesagt?

Die ÖVP scheint zu ahnen, dass die Gegnerschaft nicht so groß ist, wie von ihr angenommen und stellt die Berechnungen der IVB über die Kosten des Verzichts auf die Straßenbahn zu den Peergründen nicht grundsätzlich in Frage. Wichtig sei ihnen nur die beste Lösung und einer genauuue Berechnung der Kosten (Was hat man in den letzten 12 Jahren gemacht? In erster Linie Kosten berechet!) 

Die SPÖ betont, dass sie keinesfalls eine Kehrtwendung in ihrer Haltung zum Projekt gemacht hat sondern weiter voll und ganz hinter der Regionalbahn steht, nur eben immer schon gegen die Bahn zur Peerhofsiedlung war. (Das mag für das Ende der letzte GR-Periode noch ersichtlich sein, wenn man früher zurückgräbt, scheint mir meine Unterstellung, die ich auch der Stadtregierung übermittelte, aber nicht falsch – es sei denn die GR-Protokolle sind missverständlich geschrieben.) 

Der „soignierte“ ältere Herr (ich merk mir nie ob er jetzt von den „Freiheitlichen“, „Bärental zerstört Österreich“ oder was auch immer ist, wie ich auch einen anderen Herrn von der SPÖ anfänglich immer dem FP Lager zuordnete) bleibt bei seiner Meinung, dass er gegen das Projekt sei. Wobei in seiner Runde im Übrigen die meisten Wortmeldungen auftauchten. So auch die Feststellung dass der Sinn des Projekts Regionalbahn nicht in Frage gestellt wird – es aber so teuer sei. (Was ich den Herren beipflichten muss: So wie momentan geregelt, fährt die Tram zu langsam. Das liegt aber nicht an den Haltestellen, die notwendig sind, um Fahrgästen den Zugang zu ermöglichen, sondern an dem Fiasko der Ampelregelung) 

Der Seniorenbund windet sich noch etwas – er hält die Tram für etwas kostbares (was die FP sehr amüsiert), will aber nicht der böse Durchboxer sein und hängt sich an die ÖVP. 

Für Innsbruck und Grüne sind dafür. Ich finde deren Argumente schlüssig. Allerdings kann ich diese Argumente auch schon nicht mehr hören, da sie bei so viel Dumpfheit in der Gegnerschaft leider gebetsmühlenartig wiederholt werden müssen und man so gar nicht mehr konstruktiv arbeiten kann sondern lediglich propagandistisch. 

Zurück zu unserer Dreiergruppe. 

Das sitzen eine vom Leben vielleicht benachteiligte Dame und die vielleicht deshalb alles Brechreiz erregend findet, einer, dem es insgesamt recht gut geht, und eine Dame, die mit beiden Beinen auf der Erde steht. Wenn ich mich als irrelevant herausnehme bleibt somit eine 50/50 Stimmungslage pro/kontra Straßenbahn. 

 Ich persönlich sollte mich neutral zurücklehnen, da keine Kinder, somit nicht zwangsweise auf die Zukunft einer Generation gerichtet die es nochmals besser haben soll als wir (und doch nur das Gegenteil erreicht?). Auch könnten mir die Sorgen der beiden Damen egal sein. Ich kann mir als Alternative wahrscheinlich noch einige Jahre ein Auto leisten – wenn es unbedingt sein muss. 

Andererseits erinnere ich mich an die Dinge, die ich bereits als Kind und Jugendlicher als Defizite und falsche Entwicklungen gesehen habe, als Dinge, die dazu beitragen, das der Aufenthalt in der Welt weniger lebenswert wird; an Dinge die man so nicht macht, weil sie vor allem Menschen treffen, die wenig Wahlmöglichkeiten haben: 

Der Rückzug des öffentlichen Personennahverkehrs war da dabei. Z.B. Hallereinstellung 1974 wegen anstehender olympischer Spiele und damit verbundener Errichtung der Prestigekreuzung O-Dorf-Schützenstraße, geplante und beinahe umgesetzte Einstellung Igler und Stubaitalbahn wegen Bau der Südtangente, Diskussion der Auflassung der Außerferner und evt. auch der Mittenwaldbahn, Auflassung der Bahnhofshalte an der Arlbergbahn. 

Die Betroffenen hat damals keiner gefragt und die heutige Politikverdrossenheit und das tiefsitzende Misstrauen gegenüber Experten wurden (nicht nur bei uns) in dieser Zeit geboren. 

In diesem Sinne sage ich mir, meine Stimme zählt (nicht als Experte) auch –dann wären es immerhin 66,6 % die für die Straßenbahn sind. Das muss man in Zeiten der schwindenden Mehrheiten erst zusammenbringen ;-). 

Denn Gegnern des Projekts möchte ich sagen: Nur davon, dass man es schafft, dass es einem anderen schlechter geht, geht’s einem dann auch nicht besser. 

Hier schließe ich meine polemischen Ausführungen.

This report seems to have strayed over from Planung-richig-herum, the reason being that it concerns the replay of the predominant atmosphere emerging in the wake of events surrounding the ongoing expansion of the city tram line to the Peerhofsiedlung.

I attended the recent town meeting on January 16, 2014: I took a seat close to the exit, between two women of a certain age, whose opinions of the proceedings manifested themselves in the course of the evening. That is to say, the mood from the “peanut gallery”, although there is the question of whether one can gather public opinion from a total of three (there were others present, but I could not decipher their opinions).

I struck up a conversation with the first woman immediately. She looked me over, and asked if I lived in the Peerhofsiedlung. I said no, adding that I had come to the meeting because I am very pleased with our new tram extension in Amras, and that it surprises me that the residents here could be against such a good thing. She told me that she was a resident there, mother of several children and with quite objective views, although she is a proponent of the airport (!) She admitted that she did not side with the malcontents objecting to the tram, but rather hopes that it will still be implemented. She was of the opinion that the tram’s supporters have just not yet made themselves vocal.

The second lady, with whom I had not yet spoken, looked a bit reluctant. She had a disability and walked with a cane, so I got the basic impression of someone made sensitive by injury — perhaps by society in general. A person who, I assume, would sooner or later rely on public transportation, as taxis for handicapped are not always at hand. My assessment was completely wrong; judging from her applause, which grew in intensity in the course of the evening, she was in the opponents’ camp. She gave me stern looks which I tried to avoid — I don’t enjoy confrontation, which is why I sat in the back, and anyway it seemed clear that she would be resistant to anything I said.

What, then, did the political factions have to say on the issue of continuing with the tram project?

The People’s Party (ÖVP) seemed to sense that the opposition is not as big as first believed, and did not bring into question the costs of altering the project to exclude the Peerhofsiedlung. Important to them is only the best solution and an -exact- calculation of the costs (What have they been doing for the past 12 years? Primarily, calculating costs!)

The Social Democrats emphasised that they haven’t done a one-eighty in its support of the project as a whole, and continue to stand fully behind it, but that they were always against the rail extending to the Peerhofsiedlung. (This may be in evidence at the end of the last period, however when one digs further back, it seems to me that my report, which I shared with the city government, was not inaccurate — unless the meeting logs were misleadingly written.)

The well-groomed older gentleman (I can never remember if he’s now with the Freedom Party, the Alliance for the Future of Austria, or whatever, just as I had at first mistook a certain Social Democrat for the Freedom camp) restated his opinion that he was against the project. In his round the most words were exchanged. The purpose of the project is not in question, but that it is too expensive. (Where I do have to agree with the man is that, as currently regulated, the trams run too slowly. That is not due to the stops, which are necessary to allow passengers to access, but due to the fiasco of the traffic lights timings. )

The Seniors Association wound it up a bit - it holds the tram for something precious (what the Freedom Party delegate found very amusing), but does not want to be the one to ram anything through, and so aligns itself with the ÖVP.

“For Innsbruck” and the Greens are for it. I find their arguments conclusive. However, I am at the point where I can’t l just can’t hear these arguments any more; they unfortunately have to be so often repeated like a mantra in the face of so much dullness in the opposition, that one no longer works constructively, but rather propagandistically.

Back to our trio.

Here sits one lady, perhaps disadvantaged, which perhaps is why she finds everything disagreeable, although she has it fairly good, and a lady who has both feet on the ground. If I exclude myself as irrelevant, it’s 50/50 in regard to the tram.

Personally, I could be neutral on this; I have no children, so I am not necessarily focused on the future of a generation which should have it better (and not worse) than we do. The concerns of either lady could be of no matter to me. I can probably afford a car as alternative transportation for some years yet - if it is absolutely necessary.

On the other hand, I remember the things I've seen as a child and teenager, things I saw as deficits and false developments, that contributed to making the world less liveable, to things one should not do, because of the impact they have on people with fewer choices:

The phasing out of the public city rail system was one. For example, the discontinuation of the Hall Line in 1974 due to the upcoming Olympic Games and the related construction of the prestigious Olympic-Village-Schützenstrasse intersection; the planned and almost implemented discontinuation of the Igls and Stubaital Lines, due to construction of the South Tangent; discussion of abandoning of the Außerfern Railroad and possibly also the Mittenwald Railroad; the closing of stations on the Arlberg Railroad.

No one asked those who were affected, and today's political apathy, and the deep-seated distrust of experts, was born at this time (and not just here).

In this sense, I say to myself, my vote also counts (not as an expert) — it would amount to 66.6% being for the tram. This must first be pulled together, in times of dwindling majorities ;-).

To opponents of the project, I would like to say: Making things worse for others does not make things better for you.

End of rant.


 

2 Kommentare:

Marcellina hat gesagt…

Herrlich geschrieben, durchdacht und umfassend. Und Gratulation zu deinem langen Leserbrief in der Zeitung!

Paschberg hat gesagt…

Danke fürs Lob. Beim Leserbrief waren übrigens gute Redakteure im Hintergrund. Ich hatte soviel geschrieben, dass ich wahrscheinlich einen Werbeseite von Billa gebraucht hätte. Doch nun lese ich denn Brief und denke, ja, das habe ich geschrieben, und nichts fehlt.

..."Entschuldigen Sie, dass ich Ihnen einen langen Brief schreibe, für einen kurzen habe ich keine Zeit." (wer auch immer das nun schireb)