Mittwoch, 24. August 2022

Erbsünde

Verlässt man Matera südwärts in Richtung Metaponto, folgt die Straße dem Hangrücken auf dem sich die Altstadt in Richtung Osten zur Gravina Matera hin senkt, dann schweift der Blick nach Westem weitaus in einen sanft gewellte ziemlich ausgeräumte Agrarlandschaft mit Einsprengseln industrieller Nutzungen, wie hier in Bildmitte oberhalb des Bauernhofes (!) eine erstaunlich kleine Photovoltaikanlage. Gemahnend dem Spruch "Erst wenn der letzte Quadratmeter der Erde zur Lebensmittelproduktion genutzt ist, werdet ihr feststellen, dass man mit Brot kein Auto antreiben kann" ....oder war das irgendwie anders herum?.
 
Aufgenommen habe ich das Photo aber wegen der Brücke, die dort verloren in der Landschaft steht und seit 36 Jahren  vor sich hinrostet. Sie überbrückt den hier in einer Felsschlucht  (= Gravina) eingeschnittenen Bradano - unweit der "Höhlenkirche der Erbsünde" wie Google maps zu entehmen ist.
 
Über die Brücke sollten (geplant wurde das Ganze als Ersatz für die Anfang der 70´er Jahre eingestellte Schmalspurbahn von Matera nach Montalbano Ionica) schon lange Züge der Trenitalia fahren. Doch erst in jüngster Zeit macht man sich Gedanken das Werk zu vollenden. 
 
Vom Photostandpunkt sind es zur Brücke 14km Wegstrecke (wir haben daher den Besuch von Brücke und Felsenkriche nicht in Erwägung gezogen). Von Matera selbst sind es bis zum Endbahnhof dieser Bahnstrecke ca. 5 km Weg und 250 Höhmeter über großteils offenes Land, wie auch hier im Bild. Eine Bahn aus aus dem Nichts in das Nichts. Wenn man dort mit dem Zug fahren möchte, ist man ohne Auto aufgeschmissen.

Es war unsere zweiter Radltag auf unserer heurigen Urlaubsreise mit Ziel Kalabrien. Die Fahrt von Matera hinab war genüsslich, meist mit leichtem Gefälle auf ehemaligen Staatsstraßen, die in Provinzstraßen zurückgestuft wurden und nun langsam verfallen sowie auf stellenweise besser gepflegten Gemeindestraßen, manchmal parallel mit Resten der Bahntrasse der alten Bahn FV Calabro Lucane - an einem Bahnübergang lagen sogar noch die Geleise im Asphalt, was bedeutet, dass der Straßenasphalt dort auf das Jahr 1972 datierte. 
 
Gut drei Stunden ging es durch diese Gegend. Verlassene oder verlassen erscheinende Höfe. Gelegentlich ein Traktor. Ganz ungewohnt für diese "Breitengrade": Kaum Müll am Straßenrad,  kaum Verwesungsgeruch von totgefahrenen Tieren*. Nur Landschaft, wenn auch agarindustriell geprägt.
 
Leicht ist es sich über solche Eigenheiten Südeuropas lustig zu machen. Doch geographisch und wortwörtlich "von oben herab" betrachtet verdichtet sich für mich Eindruck, dass sich der Rückstoß, den notwendigerweise die Entwicklung der Nordhalbkugel hervorrief, auf der Südhalbkugel entfaltete und um das was es uns einst voranbrachte, die Ausgangsbasis zurückgestoßen wurde. Genutzt haben wir unseren damaligen Gewinn zum Vorteil aller nicht (vielleicht wäre es uns ja geglückt auch wenns physikalisch ein Impossibile ist) - und nun ist es natürlich unangehm, dort vorgeführt zu bekommen, was wir nicht sein wollen, was aber doch ein Teil von uns ist.
 
*)Fast zeitgleich fiel uns bei Plaudern während der Fahrt auf den stillen Straßenzügen der aufgeblähte tote Hund ein, der in einer müllübersäten Autobahnunterführung lag, vor 15 Jahren (ca. am 12.9.2007, photographiert hab ich ihn nicht, er sah sehr platzfreudig aus, daher schnell weiter) zwischen Palermo und Sferracavallo. Erleichtert stellten wir fest, dass es hier nicht so ist.


3 Kommentare:

Marcellina hat gesagt…

Photovoltaik und Landwirtschaft könnten sehr gut zusammenpassen! https://www.ise.fraunhofer.de/de/presse-und-medien/presseinformationen/2021/erste-agri-pv-anlage-fuer-co2-neutralen-obstanbau-im-test.html

Paschberg hat gesagt…

Lt.
https://www.energie-experten.org/erneuerbare-energien/solarenergie/solaranlage/agrophotovoltaik
wär es durch überlaguerng möglich aus der selben Fläche statt
entweder 100% Weizen oder 100% Solarstrom
80% Weizen und 80% Solarstrom herauszuholen.
das wäre tatsächlich einen Steigerung der Effektivität, wenn die Bewirtschaftung darunter gleich einfach bleibt.
Beonders lukrativ sei diese Methode, wenn der Strom vorort bereits für die Landwirtschaft verbraucht wird (dann hätte man auch gleich einen Überbau für die Stromversorgung von Traktoren etc. und könnte sogar auf Knowhow zurückgreifen, dass es seit 120 Jahren gibt: https://www.google.com/url?sa=i&url=https%3A%2F%2Fwww.nomos-elibrary.de%2F10.5771%2F0040-117X-2006-2-95.pdf%3Fdownload_full_pdf%3D1&psig=AOvVaw2WTyXOp4VZocOJmIDnQl8u&ust=1664886200787000&source=images&cd=vfe&ved=0CA0QjhxqFwoTCKjXu8mGxPoCFQAAAAAdAAAAABAD)
Noch habe ich aber meine Zweifel, da bis dato alle sonstigen Doppelnutzungen (PV Anlagen auf vorahnden Dächern) als "wortschaftlich nich Darstellebar" beschrieben werden.
Meine Befürchtung ist, dass Felder mit diesen Analgen überdeckt werden und dann allenfalls Parkplätze für EKZ und Lagerflächen für irgendwas entstehen

Traktor Freund hat gesagt…

Wenn ich einen Traktor sehe, weiß ich, dass ich auf dem Lande bin;)