Montag, 5. Oktober 2020

 
 
Roppen. Der ruppig klingende Ortsname wird Bahnreisenden insofern ein Begriff sein, als kurz nach Verlassen von Ötztal Bahnhof westwärts die Bahnstrecke kurvenreicher wird und man häufiger im Wagen das Dröhnen vernimmt, wenn Radien befahren werden, bei denen noch der Spurkranz zum Einsatz kommt. Drüber hinaus scheint Roppen ein weißer Fleck auf der Landkarte - selbst wenn man auch manchmal beruflich dort zu tun hatte. Merkwürdig geschichtslos erscheint der Ort und man muss im Netz schon länger suchen, bis man dazu etwas findet.
 
Im Gegensatz zum virtuellen Eindruck ist nämlich der Eindruck vor Ort ein gänzlich anderer – nämlich der einer gehörigen Basis an Geschichte auf der dieser Ort steht. So sieht man den zusammengewürfelten alten, vielfach mit Neubauten überformten, Häusern noch gut die Vergangenheit und wohl z.T. auch Gegenwart der Realteilung an, die so typisch für das Oberland ist. Hier ist die Erinnerung an Besitzteilungen die quer durch die Mus-Pfanne gingen noch baulich präsent. 
 
Das Photo zeigt ein Blick vom Ortszentrum auf die Pfarrkirche, am Weg eines Wochenendeausflugs von Roppen zur Maisalm. 
 
Roppen ist, wie es scheint auch eher unbekannt als Wanderziel. Zwar geht der Inntalradweg durch, aber die Gasthöfe, die es wohl noch vor 30 Jahren gab, sind großteils verschwunden. Die Roppener Innschlucht als Raftingparadies tangiert den historische Ort nur. So bleibt das Aha-Erlebnis, wenn man in der zentral gelegenen S-Bahnhaltestelle aussteigt und nach wenigen Minuten in diesem verwinkelten Ortskern steht. Auf dem Weg von der Bahn zum Ort meint man Roppen hätte zwei Kirchen. Defakto ist aber die „Kirche“ bei der Bahn nur typlogisch ein solche, tatsächlich handelt es sich um eines der alten denkmalgeschützten Umspannwerke der Arlbergbahn (in Zirl gibt es auch ein solches), von denen sich die ÖBB wohl wünscht, dass sie besser heute als morgen einstürzen. 
 
Markant ist in Roppen selbst die Bruder Klauskapelle am Burschl, einem Hügel mit Felswand direkt runter zum Inn. Südlich des Inn hingegen ist die Topographie unspezifisch. Hier wandert man auf steilen Pfaden, die wohl längst vergessen und allenfalls bei Schwammerlsuchern noch in Gebrauch sind, an den Flanken des Leonhardsbachs bergan in eine Waldwildnis, die nur wenige dafür aber umso beindruckendere Tiefblicke ins Tal zulässt. Nach 1000 Höhenmetern stellt man fest, dass man noch immer im Wald steht und noch gleichviel Höhenmeter zu überwinden wären damit sich der Blick lichtet. Immerhin gibt es dann aber die Maisalm, die einen Aussichtsbalkon für Imst und Umgebung bietet. 
 
Die Gegend ist hier beinah lieblich; Menschen begegnen einem aber fast keine. Das mag daran liegen, dass die Wege z.T. sehr breite Forststraßen sind und einen die spärlich vorhandenen Steige im Unklaren lassen, wohin sie führen. Warum ist das hier so? Ich vermute, da ein Großteil der Flächen südlich von Roppen ab einer Höhe von ca. 1400m Seehöhe den Bundesforsten gehört und wohl durch die daraus resultierende flächige Waldbewirtschaftung die eher aus kleinbäuerlich geprägten Landschaften bekannten Steige hier wenig Bestand haben können zumal es an kleinteiligen Zielen im Gebirge hier eher fehlt. Ganz erklärt diese Theorie jedoch den Eindruck nicht; denn zwischen 1400m und Talboden erstrecken sich sehr wohl Teilwaldflächen. 
 
Ein wenig wirkt die Situation im Wald so als hätte man hier eine ostösterreichische Situation in den Westen verpflanzt: Gesäuse oder Reichraminger Hintergebirge lassen grüßen! Vielleicht liegt es auch nur daran, dass ich dort in diesem Sommer war und nun der Blick für solche Dinge auch bei uns geschärft ist. 
 
Kurz bevor ich als Jugendlicher das erste Mal auf einem Ausflug weiter westlich als Stams (ca. 1982) kam, unter anderem auch durch Roppen, hatte die mir damals noch unbekannte große Holzbringungsseilbahn der Bundesforste von Roppen in die Wälder unter der Maisalm bereits ihren Betrieb eingestellt. Diese Sehenswürdigkeit kann man in Roppen leider nicht mehr bestaunen.

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